Warum du dich nicht mit anderen Radfahrern vergleichen solltest

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Autorin: Lisa Augustin

Ja, ich bekenne mich schuldig. Auch ich habe mich am Anfang meiner Fahrradkarriere gerne und intensiv mit anderen verglichen. Ich bin mit anderen Fahrrad gefahren und habe versucht, mit ihnen zu messen. Oft habe ich auch noch über Strava Zeiten und Geschwindigkeiten verglichen, um so die Konkurrenz besser einschätzen zu können. Und letztendlich habe ich mich auch auf Wettkämpfen mit anderen verglichen.

Sich mit anderen vergleichen ist generell nicht schlecht!

Wenn man das mit dem Vergleichen richtig anstellt, kann es auch motivieren. In diesem Beitrag möchte ich dir verraten, worauf du beim Vergleich speziell beim Radfahren achten solltest, um weiterhin motiviert zu bleiben.

Auf welche Kriterien solltest du beim Vergleich achten?

Nur weil ein Radfahrer in einer anderen Stadt 30 km mit 20 km/h fährt, heißt es noch lange nicht, dass du besser bist, wenn du selbst 30 km mit 25 km/h fährst. Viele Leute achten als allererstes immer auf den Schnitt, dabei zählt dieser letztendlich nur in einem Wettkampf.

Auf folgende Kriterien solltest du beim Vergleichen von Radfahrern und Radfahrten achten:

  • Fahrrad
  • Leistung und Ausdauer
  • Geschlecht
  • Strecke
  • Wind und Wetter
  • Tagesform
  • Anstrengung

Das möchte ich jetzt etwas genauer erläutern. Dazu werde ich mich auch ein wenig mit meiner Freundin Johanna vergleichen, um das etwas besser zu veranschaulichen.

Fahrradvergleich

Wenn jemand mit einem schweren Fully eine bestimmte Strecke fährt und ein anderer mit einem leichten Hardtail dieselbe Strecke fährt, wird sich derjenige mit dem Hardtail einfacher tun. Zumindest auf der Geraden und bergauf. Bei Trails und schwierigeren Bergab-Passagen wird vermutlich das Fully „besser“ sein. Oft werden hier Äpfel mit Birnen verglichen!

Mit anderen gemeinsam Fahrrad fahren.

Ich habe es erlebt, als meine Freundin Johanna von ihrem 26 Zoll Alu Hardtail auf ein 29 Zoll Carbon Hardtail gewechselt ist. Mit ihrem alten Fahrrad waren wir in etwa gleich stark – eventuell war ich sogar noch etwas stärker. Ich hatte aber auch schon ein Carbon Hardtail. Jetzt mit dem neuen Fahrrad zieht sie mich voll ab. Wer ist also nun besser? Das kommt wohl aufs Fahrrad darauf an. Generell würde ich aber sagen, dass sie aktuell mehr Leistung bringt. Was mich zum nächsten Punkt führt.

Leistung und Ausdauer

Während Johanna bei kurzen Spitzen richtig Gas geben kann und auch schneller in die Gänge kommt als ich, habe ich den Vorteil, dass ich gegen Später längere Anstiege problemlos bewältigen kann.

Jeder Radfahrer hat seine Schokoladenseiten und seine Schwachstellen. Das ist aber gar nicht schlimm!

Und auch wenn ich letztes Jahr im FTP Test ein besseres Ergebnis als Johanna hatte, macht einen Vergleich gar keinen Sinn. Denn ich trainiere schon länger auf dem Rad und hatte letztes Jahr dreimal so viel Kilometer wie sie auf dem Rad. Was ich dir damit sagen möchte: Ein Vergleich ist hier nicht immer sinnvoll, weil wir oft ganz verschiedene Ausgangssituationen haben.

Wenn du dich unbedingt vergleichen willst, dann solltest du hierbei die Ergebnisse eines Leistungstests heranziehen. Denn dieser Wert sagt am meisten über die Leistung aus.

Geschlecht

Das Geschlecht spielt beim Radfahren auch eine große Rolle. Schaue ich mir die Ergebnisse von Mitteldistanzen aus regionalen Wettkämpfen an, sehe ich, dass die beste Frau immer rund 15 Minuten nach dem besten Mann ins Ziel eintrifft. Deswegen ist die beste Frau aber nicht schlechter als der beste Mann.

Wir Frauen haben mit einer schwankenden Leistungsfähigkeit während des Zyklus zu kämpfen. Für uns ist es auch schwieriger, hohe Wattzahlen zu erreichen. Frauen haben einfach andere, körperliche Voraussetzungen, sowie oft einen höheren Körperfettanteil.

Auch hier habe ich noch eine nette Geschichte. Vor ein paar Jahren bin ich zusammen mit einer anderen Frau im Wettkampf den Berg hoch gestrampelt. Dabei haben wir ein paar Männer überholt, die uns folgendes hinterhergerufen haben: „Das sind keine Frauen, das sind Mannsweiber“. Natürlich kann eine Frau besser sein als ein Mann, wenn die Voraussetzungen der Frau besser sind. Das war bei uns der Fall. Wir hatten bessere Fahrräder, waren besser trainiert und mussten keinen Bierbauch den Berg nach oben schleppen.

Strecke

Wenn du eine flache Strecke mit 45 km in Norddeutschland fährst und ich 45 km flach auf der schwäbischen Alb fahre, dann können wir unsere Ergebnisse auf keinen Fall miteinander vergleichen. Wenn ich 45 km so flach wie möglich fahre, habe ich dennoch mindestens 300-400 Höhenmeter. Dazu kommt, dass wir viele Schotterpisten und Waldwege haben. Wenn du vergleichen möchtest, müssen beide die exakt selbe Strecke zu denselben Bedingungen fahren, wie zum Beispiel bei einem Wettkampf.

Wind und Wetter

Kennst du das Gefühl, wenn du nicht richtig vom Fleck weg kommst, weil du nur Gegenwind hast? An einem anderen Tag wärst du dieselbe Strecke 5-10 km/h schneller gefahren. Dass Wind und Wetter eine große Rolle spielen, vergessen immer viele bei ihren Vergleichen.

Du weißt oft nicht, welche Wetterbedingungen der andere bei seiner Fahrt hatte. Gerade, wenn man auf Strava sich Fahrten von anderen Menschen anschaut, weiß man nie, wie die Geschwindigkeit zustande kam.

Ein weiterer Faktor, der oft nicht berücksichtigt wird, ist das Windschattenfahren. Letztes Jahr auf Mallorca hatte ich mega gute Ergebnisse. Aber wusstest du, dass ich hauptsächlich im Windschatten gefahren bin? Alleine hätte ich solche Schnitte nie erreicht. Niemals!

Tagesform

Es gibt gute und schlechte Tage. Manchmal fühlst du dich topfit und könntest Bäume ausreißen und an anderen Tagen bist du dir nicht sicher, ob du gleich krank wirst. Darum macht ein Vergleich mit anderen Sportlern auch nur Sinn, wenn beide eine ähnliche Tagesform haben. Was bringt es, einen top-fitten Menschen mit einem kränklichen Menschen zu vergleichen? Darum: Frag lieber mal den anderen, wie es ihm heute geht, anstatt dich einfach stupide mit ihm zu vergleichen.

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Anstrengung

Ja, ich konnte letztes Jahr mit dem Rennrad 85 km mit 650 hm ohne großartiges Windschattenfahren mit knapp einem 28er-Schnitt fahren. Daraufhin bekam ich viele Nachrichten, dass ich verdammt gut sei.

Die Temperaturen lagen bei 11 Grad, der Wind lag bei 3-4 km/h. Die Bedingungen waren also perfekt.

radfahrt strava vergleichen mit anderen radfahrern

Aber: Niemand hat mich gefragt, wie Anstrengend das war. Einige haben gedacht, dass ich es einfach so aus dem Ärmel schüttel. Dabei war ich danach sehr kaputt. Ich hatte bei 3 Stunden Fahrt eine durchschnittliche Herzfrequenz von 161BPM. Ich war also nicht spazieren fahren.

herzfrequenzanalyse strava vergleich mit anderen radfahrern

Oft wird beim Vergleichen von Sportlern vernachlässigt, wie Anstrengend der Sport für einen ist. Dazu kommt noch, dass jeder Sportler einen anderen Pulsbereich hat. Mein Maximalpuls liegt bei knapp 200 BPM. Ich kenne jemanden, der fährt einen Wettkampf mit durchschnittlich 135BPM. Das liegt aber auch daran, dass sein Maximalpuls bei rund 150BPM liegt. Würde ich diese Information nicht kennen und von meinen Pulsbereichen ausgehen, würde ich denken, dass er ganz gemütlich beim Wettkampf fährt und trotzdem tolle Leistungen erreicht. Das würde mich sicher demotivieren. Dabei fährt er eigentlich am Limit und kann sicher nicht mehr plaudern beim Fahren.

Gerade bei der Anstrengung dürfen wir nicht oberflächlich vergleichen, denn das führt zu völlig falschen Annahmen.

Bin ich gut auf dem Fahrrad?

Letztens hat mich in den sozialen Medien eine Nachricht erreicht, die mich zum Schmunzeln gebracht hat. Sicher habe ich in meiner Anfangszeit ähnlich gedacht. Mir hat jemand geschrieben, dass er seine Reifen voll gepumpt hat, alles Unnötige vom Rad weg geschraubt hat und er dann seine Hausstrecke mit einem 28er-Schnitt gefahren sei – und hat dann gefragt, ob das gut sei?

Doch was ist überhaupt eine angemessene Leistung auf dem Fahrrad?

Du bist besser als andere, wenn du etwas tust, was andere nicht tun würden.

„Ach, das könnte ich auch!“ – lass dich von solchen Sprüchen nie runterziehen. Das sollen andere erst mal unter deinen Bedingungen nachmachen.

Versuch dich lieber mit dir selbst zu vergleichen als mit anderen. Denn nur so kannst du sehen, ob du besser wirst.

Sport ohne Druck. Radfahren ohne sich miteinender zu vergleichen.

Wann macht der Vergleich mit anderen Sinn?

Während ich diesen Blogbeitrag schreibe, schreibt mir mein Fahrradkumpel Toby, dass er seit einer Stunde auf dem Sofa liegt und seine Trainingsdaten mit anderen vergleicht, anstatt einfach auf die Rolle zu gehen und zu trainieren.

Da fand ich dann den typischen Ikea Spruch etwas abgewandelt ganz passend:

Vergleichst du noch, oder trainierst du schon?

Toby hat mir auch geschrieben, dass er vermutlich viel besser sein könnte, wenn er nicht ständig die Zeiten von anderen im Hinterkopf hätte. Und das gleicht sich auch mit meiner Erfahrung! Anfangs habe ich mir bei Wettkämpfen immer die Zeiten aus den Vorjahren angeschaut und mir so Druck gemacht, ein bestimmtes Ziel zu schaffen. Manchmal war ich danach glücklich, manchmal aber auch enttäuscht, obwohl ich eine hervorragende Leistung erbracht hatte. Bei Wettkämpfen, auf denen ich einfach darauf losgefahren bin, war ich danach immer zufrieden, weil ich keine großen Erwartungen hatte. Und meist war ich da auch schneller, weil ich 2 Watt mehr in die Beine stecken konnten, die sonst im Kopf hängen geblieben wären.

Vergleichen macht meiner Meinung nach nur dann Sinn, wenn du gezielt Schwachstellen optimieren möchtest. Dann solltest du dir aber Zeit nehmen und alle möglichen Faktoren berücksichtigen und nicht nur oberflächlich vergleichen. Mit Analysen und realen Trainingswerten kann man Schwächen und Stärken aufdecken.

Aber brauchen wir als Hobbyfahrer und Genussbiker das wirklich?

Warum fährst du eigentlich Fahrrad?

Zum Abschluss dieses Beitrages möchte ich dich fragen, warum du eigentlich Fahrrad fährst? Machst du es, um besser als andere zu sein oder machst du es hauptsächlich für dich?

Ohne Druck Radfahren - Sport machen ohne miteinander zu vergleichen.

Vergleichst du noch, oder genießt du schon?

Steve Watson

Ein guter Fahrrad-Kumpel von mir war früher immer unter Druck. Er wollte besser werden, hat trainiert wie ein Bekloppter und ist im Winter jede Woche auf der Rolle im Schlafzimmer Rennen gefahren. Ständig hat er sich mit anderen verglichen und gemessen. Eine Kaffeepause machte er nie beim Fahren. Irgendwann landete er im Krankenhaus. Jetzt bezeichnet er sich selbst als Genussbiker. Jede Ausfahrt mit ihm ist mega cool, denn er macht sich nur noch selten Druck und nimmt Rücksicht auf andere. Mit ihm kann man auch mal ein Eis essen und die Landschaft genießen. Mit den Folgen von früher kämpft er aber immer noch.

Aus diesem Grund kann ich dir nur eins raten: Fahre Fahrrad, weil es dir Spaß macht und setze dich nicht zu sehr unter Druck.

Bis bald

Deine Lisa. <3

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Über die Autorin

Lisa Augustin (geb. Lisa Rudolf) bezeichnet sich selbst als Genussbikerin. Durch eine Abnahme und die Umstellung zu einer gesunden Ernährung ist sie auf das Radfahren gekommen. Auf ihrem Blog LisasBunteWelt schreibt sie über persönliche Erfahrungen und hilft anderen weiter. Trotz körperlichen Einschränkungen wie Lipödem und Arthose versucht sie immer, den Genuss beim Radfahren voranzustellen.

Durch den Hobbyblog ist die gelernte Softwareentwicklerin letztlich auch zu ihrer Berufung gekommen und beschäftigt sich jetzt mit der Suchmaschinenoptimierung in der Selbstständigkeit.

4 Gedanken zu „Warum du dich nicht mit anderen Radfahrern vergleichen solltest“

  1. Schöner Beitrag liebe Lisa, finde ich gut das Du deine Erfahrungen über dieses Thema teilst. Leistung, Druck und der Vergleich mit anderen wird uns schon von Kindesalter an eingeimpft, Achtsamkeit und Selbstfürsorge leider nicht. Sport sollte meiner Meinung nach als Ausgleich dienen, wer sich im Hobbybereich deswegen zu viel Stress macht, sollte hinterfragen warum. Mein Tipp und beste Übung einfach mal ohne Tacho, Brustgurt, Kadenz, Garmin, Wahoo, Strava etc. fahren und nur mit der Natur verschmelzen ohne irgendwelche Werte.

    Auf Bald dein Bikebuddy Olli

    Antworten
    • Danke Olli! Von dir hab ich schon viel gelernt! Einfach das Radfahren genießen, ganz ohne Druck.

      Freu mich schon auf unsere nächste Fahrt! 🙂

      PS. Ich hab mich auch schon weiterentwickelt und bin nicht mehr traurig, wenn ich mal den Pulsgurt daheim vergesse. 🙂

      Antworten
  2. Liebe Lisa,
    Vergleiche gehören schon irgendwie dazu und bringen auch jede Menge Spaß beim Sport. Bei der Trainingsausfahrt mit den Kumpels der schnellste am Berg zu sein oder am Ende der Tour noch genug Körner zu haben, um am letzten Berg nochmal angreifen zu können macht schon Spaß.
    Ein weiterer Aspekt der bei vielen leider viel zu wenig Bedeutung hat ist das Können. Hierzu zählt das Knacken von fahrtechnischen Herausforderungen, das Springen eines Sprunges oder das saubere und trailschonende Befahren eines Weges. Ich hatte schon unglaublichen Spaß dabei gemeinsam mit Freunden stundenlang an Schlüsselstellen zu knobelen, sich dabei gegenseitig zu spotten oder Fotos und Videos zu machen. Das Schönste an diesem Wettkampf ist dabei, dass man immer was dazu lernen kann. Denn für ein Problem gibt es vielleicht mehrere Lösungen und Herangehensweisen.
    Deshalb: Vergleichen und kämpfen ja, allerdings auf vielfältige und facettenreiche Art und Weise. So wie die ganze Sportart Mountainbiken, die schönste Sportart der Welt…

    Antworten
    • Hallo Carsten,

      ja klar, da hast du auch Recht. Vergleichen kann auch Spaß machen. So gehts mir zu Beispiel in den Wettkämpfen. Aber oft wird eben Äpfel mit Birnen verglichen und sich unnötig unter Druck gesetzt. Mit diesem Beitrag wollte ich den Spaß am Radfahren in den Vordergrund stellen. Es kommt immer drauf an wie man sich vergleicht und mit wem man sich vergleicht.

      Viele Grüße
      Lisa

      Antworten

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