Lohnt sich Bikefitting? – Ein persönlicher Erfahrungsbericht

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Autorin: Lisa Augustin

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich noch nie Schmerzen beim Radfahren hatte oder meine Position auf dem Fahrrad immer perfekt war. Jahrelang habe ich viel herumprobiert und die best möglichste Sitzposition für mich gefunden. Sprich, ich habe meine Fahrräder nach bestem Gewissen selbst gefittet.

Als ich letztlich bei einem professionellen Bikefitting war, war ich an dem Punkt, dass ich mich zu 90% wohl auf meinem Fahrrad fühlte. Das war im Frühjahr 2022.

In diesem Beitrag möchte ich über meine persönlichen Erfahrungen mit dem Bikefitting sprechen und wie es überhaupt dazu kam. Doch bevor wir persönlich werden, habe ich noch ein paar Infos und Fakten für dich.

Was ist Bikefitting?

Bikefitting heißt, dass das Fahrrad an den Fahrer angepasst wird. Das ist, als würdest du eine Hose speziell für deinen Körperbau schneidern lassen, sodass du dich pudelwohl darin fühlst und nichts drückt. Der Vergleich ist sogar ziemlich passend – denn wenn dein Fahrrad nicht zu dir passt, kann es tatsächlich irgendwo drücken. Durch die richtige Einstellung werden Fehlstellungen korrigiert, Schmerzursachen aufgedeckt und Potenziale umgesetzt.

Dabei wird an verschiedenen Stellschrauben gedreht:

  • Sattel
  • Lenker
  • Griffe
  • Vorbau
  • Pedale
  • Schuhe

Oft werden in Zuge dessen verschiedene Komponenten ausgetauscht und angepasst, sodass das Fahrrad zum Radfahrer passt. In manchen Fällen kommt der Bikefitter auch zum Entschluss, dass das Fahrrad selbst mit Anpassungen nicht zum Fahrer passen wird. Zum Beispiel dann, wenn eine viel zu große oder viel zu kleine Rahmengröße gekauft wurde.

Es gibt verschiedene Methoden, mit denen ein Bikefitting durchgeführt werden kann. Dabei hängt allerdings auch viel von der Erfahrung des Bikefitters ab, da Bikefitting ein sehr individueller Prozess ist.

Uwe Schneider misst den Sitzwinkel des Sattels.

Kann man ein Bikefitting selbst machen?

Viele Grundeinstellungen lassen sich auch selbst vornehmen. Dabei kannst du dir Wissen aneignen und verschiedenes ausprobieren. Letztlich sagt dir dein Körpergefühl auch, was sich gut anfühlt und was nicht. Ich habe zum Beispiel meinen Sattel über ein Stück Wellpappe selbst ausgemessen und der passt perfekt. Auch meine Fahrräder habe ich grundsätzlich erst mal selbst eingestellt.

Dennoch ist manchmal ein Tipp vom Profi sehr hilfreich, um Dinge anders zu betrachten. Und es kommt auch immer darauf an, was dein Ziel ist. Wenn du zum Beispiel die beste Performance herausholen willst, dann schaffst du es kaum alleine dein Fahrrad richtig einzustellen. Aber bei gewissen Stellschrauben ist es auch gar nicht verkehrt, mal selbst Hand anzulegen und auszuprobieren. Das schult nicht nur das Verständnis fürs eigene Bike, sondern auch dein Körpergefühl.

Vor dem Bikefitting auf dem Rennrad.

Wie lange dauert ein Bikefitting?

Das kommt darauf an, wie viel umgestellt und ausprobiert werden muss. Du solltest mit 2-4 Stunden rechnen.

Das Bikefitting startet in der Regel mit einem Vorgespräch. Dabei sprecht ihr auch über Ziele, deinen Körperlichen Zustand und Probleme. Meist lässt dich der Bikefitter auch noch eine Runde auf dem Rad drehen, um einen groben Überblick zu bekommen. Dann geht es weiter zur Sitzanalyse.

Entweder wird dann direkt etwas an deinem Rad umgebaut, oder du bekommst lediglich die Werte mit nach Hause.

Was kostet ein professionelles Bikefitting?

Das kommt oft darauf an, mit welchen Methoden das Bikefitting gemacht wird. Ein traditionelles Bikefitting, bei dem sich ein Profi 2-4 Stunden für dich Zeit nimmt, kostet zwischen 200 und 350 Euro.

Das Bikefitting, welches ich selbst wahrgenommen habe, hat 288€ ohne Material und ohne Umbau gekostet.

Klar, das ist viel Geld. Aber dafür spart man zukünftig auch viel Geld und Zeit, weil Fehlkäufe vermieden werden und man von vorneherein weiß, was passt. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Darauf solltest du beim Bikefitting achten

Ich empfehle dir, dein alltägliches Equipment zum Bikefitting mitzubringen:

  • Dein Fahrrad
  • Deine Schuhe
  • Eine Radhose (allerdings ohne Polster)
  • Optional: Fahrradhandschuhe

Durch deine persönliche Ausrüstung kann der Bikefitter auch Rückschlüsse ziehen. Zum Beispiel, wenn bei Radhosen auf einer Seite immer die Naht aufgescheuert wird oder deine Radhandschuhe ein bestimmtes Abnutzungsmuster haben.

Wo finde ich einen guten Bikefitter?

Im Grunde genommen ist das vergleichbar wie mit allen Dienstleistungen: Einen guten Bikefitter findest du über persönliche Weiterempfehlungen und Mund-zu-Mund-Propaganda. Da Bikefitting oft ein regionales Thema ist, empfehle ich dir mal bei lokalen Fahrradgruppen oder Vereinen rumzufragen.

Es gibt auch viele Fahrradgeschäfte, die mittlerweile ein Bikefitting anbieten. Oft auch mit hochmoderner Technik. Aber Technik zu bedienen und persönliche Erfahrungswerte mitzubringen, sind 2 verschiedene Paar Schuhe. Ein guter Bikefitter übergibt dir nämlich nicht nur eine Tabelle mit Messwerten, sondern geht auch auf deine Problemstellungen ein und erklärt dir den Lösungsweg so, dass du ihn nachvollziehen kannst. Dabei probiert ein guter Bikefitter auch gerne verschiedenes aus und arbeitet dann mit deinem Feedback weiter.

Ein guter Bikefitter arbeitet ganzheitlich und hakt nicht nur eine Checkliste ab.

Lisa beim Bikefitting mit Uwe Schneider.

Meine Erfahrungen mit Bikefitting

Wie anfangs schon erwähnt, war ich bis dato relativ zufrieden mit meinem Bike und meiner Sitzposition. Bis auf ein paar Kleinigkeiten. Da wir Zuhause selbst viel an unseren Bikes schrauben, habe ich meine Fahrräder nach bestem Gewissen selbst eingestellt. Die meisten Fahrräder haben wir sogar selbst aufgebaut und dementsprechend auch gleich angepasst.

Trotzdem hatte ich einen Termin beim Bikefitting im Frühjahr 2022. Der Grund dafür war mein neues Gravelbike. Ich habe mir ein handgemachtes Gravelbike aus Stahl bei einer lokalen, kleinen Manufaktur bestellt. Da Kettenreaktion jeden Rahmen individuell Konstruiert, wollte ich auch, dass der Rahmen exakt zu meinem Körper passt. Also brauchte ich genaue Werte und die gibt es eben bei einem Bikefitting.

Um die passenden Werte für mein Gravelbike zu bekommen, habe ich mein selbst aufgebautes Rennrad mitgenommen. Das Bikefitting hatte ich auf Empfehlung bei Uwe Schneider von RADWEG – Die Sattelkompetenz in Neu-Ulm durchführen lassen. Uwe hat früher den Leistungssport auf dem MTB gelebt und mehrere Kontakte aus meinem Netzwerk führten mich letztlich zu ihm.

Uwe Schneider stellt ein Fahrrad ein.

Also schob ich mein Rennrad durch die Tür und wurde mit erstaunten Blicken empfangen. Ihm hatte wohl mein eigens aufgebautes Rennrad gefallen. Beim Sattel allerdings schmunzelte er. „Wir sehen dann, ob du in ein paar Stunden noch diesen SQlab Sattel fährst“. Fast keiner seiner Kunden verlässt das Bikefitting mit dem ursprünglichen Sattel. Und viele kaufen ihren Sattel aufgrund von Werbung oder Weiterempfehlungen. Dabei gilt:

Nicht jeder Sattel passt zu jedem Radfahrer. Das ist immer eine individuelle Sache und muss auch ordentlich getestet werden.

Ich jedenfalls war sehr überzeugt von meinem Sattel. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon eine lange Suche hinter mir und viel ausprobiert.

Wir begannen mit einem kurzen Gespräch und dann wollte Uwe mich auf dem Rad sehen. Ich drehte ein paar Runden im Hof. Selbstverständlich mit meinen Radschuhen. Anschließend musste ich mir einiges anhören, was er auf den ersten Blick feststellen konnte. Uwe ist sehr direkt und das ist auch gut so. Ich war dezent erstaunt, wie viel Potenzial ich da wohl noch habe. Er bemängelte zum Beispiel meine unsichere Haltung auf dem Rad, sowie die zu tiefe Sitzposition. Außerdem machte er gleich die Probleme für meinen oft verspannten Nacken aus.

Nach der Kurzanalyse wurde ein Bikefittingrad so umgebaut, dass es den Maßen meines Rennrades entspricht. Inklusive meines Sattels und meinen Pedalen. Auf dem Sattel wurde eine dünne Matte mit Sensoren installiert. Dann durfte ich nochmals pedalieren, während Uwe eine Videoanalyse und die Druckpunktvermessung des Sattels startete.

Ergebnisse der Videoanalyse und Sitzanalyse beim Bikefitting besprechen mit Uwe Schneider von Radweg.

Die Große Überraschung!

Tatsächlich war mein Sattel perfekt für mich. Minimale Anpassungen in der Einstellung waren noch drin – aber alles in allem sitze ich wunderbar auf dem Sattel. Die Druckbelastung war beim Ausgangszustand schon sehr ideal. Uwe meinte, dass er so was selten sieht. Kein Wunder – die meisten kommen ja auch wegen Sitzbeschwerden zu ihm und nicht wie ich, weil sie sich ein Fahrrad nach Maß anfertigen lassen wollen.

Zudem wurde mein Sattel um 3 cm erhöht und nach vorn geschoben, der Vorbau durch einen längeren ausgetauscht (da hatte ich zum Glück noch einen daheim). Dann noch ein paar Feinjustierungen am Lenker und fertig.

Zusammengefasst: Hinten höher, vorn länger – aber insgesamt ist der Abstand zwischen Linker und Sattelspitze kurzer.

Was hat mir das Bikefitting gebracht?

Ich bin definitiv froh, dass ich das Bikefitting gemacht habe. Denn danach hatte ich das Gefühl, ein neues Fahrrad zu haben. Es hat sich mehr nach „Race-Mode“ auf dem Rad angefühlt. Und tatsächlich konnte ich dank meiner Wattkurbel auch einen positiven Unterschied in der Leistung feststellen.

Außerdem war ich nach dem Bikefitting beim Bergab fahren nicht mehr so unsicher. Und mein Nacken war deutlich entspannter durch die neue Sitzposition.

Natürlich kann man auch vieles selber ausprobieren. Das erfordert eben Geduld, Zeit und Wissen. Und manchmal passieren dabei auch Fehler, wenn man selbst kein Profi ist. Da wäre das Bikefitting beim Profi definitiv die schnellere und effizientere Lösung. Und ich muss zugeben, dass ich beim Bikefitting wirklich einiges gelernt habe, was ich auch zukünftig beim Schrauben und Aufbauen von neuen Bikes beachten kann.

Die Werte kann ich nämlich auch super auf neue Bikes derselben Art übertragen, was mir einiges an Ausprobiererei erspart.

Würde ich wieder so ein Bikefitting machen? Ja! Bzw. ich habe in der Zwischenzeit schon wieder eins gemacht – allerdings mit meinem Mountainbike, weil mir da tatsächlich manchmal die Hände leicht eingeschlafen sind. Und auch dieses Problem ist jetzt gelöst.

Zudem merke ich die bessere Kraftübertragung beim Radfahren, sowie die entspanntere Sitzposition. Beides spricht für ein Bikefitting.

Und das allerbeste: durch das Bikefitting habe ich jetzt ein Gravelbike, welches mir sofort gepasst hat, ohne dass ich eine einzige Schraube verstellen musste. Aber zum Gravelbike werde ich noch einen separaten Beitrag schreiben.

Ich hoffe, dass dir meine persönliche Bikefitting-Geschichte weiterhilft.

Bis bald,

deine Lisa

Mein neues Gravelbike von Kettenreaktion

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Über die Autorin

Lisa Augustin (geb. Lisa Rudolf) bezeichnet sich selbst als Genussbikerin. Durch eine Abnahme und die Umstellung zu einer gesunden Ernährung ist sie auf das Radfahren gekommen. Auf ihrem Blog LisasBunteWelt schreibt sie über persönliche Erfahrungen und hilft anderen weiter. Trotz körperlichen Einschränkungen wie Lipödem und Arthose versucht sie immer, den Genuss beim Radfahren voranzustellen.

Durch den Hobbyblog ist die gelernte Softwareentwicklerin letztlich auch zu ihrer Berufung gekommen und beschäftigt sich jetzt mit der Suchmaschinenoptimierung in der Selbstständigkeit.

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